00erBilder
Fotografien . ca. 1990 - 2005
Das erste sichtbare Bild auf einem entwickelten Diastreifen trug immer die Nummer 00, ich bezeichnete dieses stets als das "00erBild". Die "Nullerbilder" entstanden durch das Betätigen des Kameraauslösers beim Einlegen und Spannen einer Diafilmrolle. Sie wurden von den Fotografen über Generationen hinweg in der Regel unangesehen entsorgt, viele waren lediglich schwarz und unbelichtet. Einige zeigten am linken Rand den gelben, prägnanten Einzugsstreifen, der meist in die erste Fotografie oder Abbildung überging und damit vehement in das Motiv eingriff. Beim Betrachten der belichteten Filmstreifen, begriff ich die Bilder eines Tages als wunderbare, zufällig entstandene Abstraktionen. Ich empfand sie als eine der wertvollsten Fotografien innerhalb einer Diareihe, weil sie ohne eigene Absicht und Kalkül entstanden, sie sind einfach geschehen. Ich begann sie zu archivieren, so wurden diese Filmanfänge zu einer eigenständigen Serie, mit eigenem Charakter. Sie haben mich in meiner "Sicht auf die Dinge" geprägt.
Über die Jahre sind die Dias schmutzig geworden, haben sich in den Farben verändert, sind verblasst, haben Staub angesetzt und sind mit analogen "Dreck" behaftet. Ich habe meine biologischen Spuren, meine Fingerabdrücke, meine “Rückstände” auf ihnen hinterlassen.
Seit ca. 10 Jahren fotografiere ich nun "Digital", es führte kein Weg daran vorbei. Zu meinem großen Bedauern hinterlässt die digitale Fotografie keinerlei Spuren, keinen "Dreck" auf ihren Pixeln. Sie erscheint uns perfekt, ist perfekt, ist klinisch rein, ist das mathematische Resultat eines Binärcodes, der uns zum Bild geworden ist. Dieser Binärcode ist so perfekt, dass er es versteht unseren Augen zu schmeicheln. Im Grunde sehen wir nur die Ziffern Null und Eins, die in Farben umgewandelt werden. Die Digitalisierung der Fotografie ist das Ende der Ära der "Nullerbilder", ein Jahrzehnt schon ziehen wir fast keine Filmrollen mehr ein.
Ich belasse die 00erBilder in digital unbearbeitetem Zustand, ich habe sie lediglich gescannt. Ich bilde sie ab mit all ihren "Fehlern", Spuren, Kratzern, analogen Verschmutzungen und dem biologischen "Dreck" der sich über die Jahre, wie als "Patina" auf ihnen hinterlassen hat, ich sehe sie als sichtbares Relikt des Analogzeitalters. Durch das Scannen, Speichern und Abbilden sind nun auch sie digital geworden.
Anmerkung:
Ich bin kein Gegner der Digitalisierung, sondern Nutznießer in jeglicher Hinsicht, hinterfrage aber die längerfristige Existenz unserer Generationen in den Archiven der Geschichte. Sind wir dabei, uns nur noch in Form von Pixeln zu erhalten und zu hinterlassen? Ein gemeißelter Stein, ein beschriftetes oder mit Tinte bedrucktes Papier, ein Dia, ist über die Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende wesentlich haltbarer und damit unauslöschbarer!
Dieser Binärcode ist instabil, er wird sich selbst auslöschen, er ist nur elektronisch vorhanden, damit ist er scheinbar, sind die Abbildungen unserer Gegenwart endlich. Er ist Fehlern und Auflösungsprozessen in den Speichermedien unterworfen. Der Binärcode hat nicht die Haltbarkeit von analogen Fotografien, die wir nach Jahrzehnten aus Schuhschachteln bergen und unseren Nachfahren zeigen.
|